Mit Zeitmanagement zu mehr Balance im Leben
Wer es eilig hat, sollte langsam gehen
von Helmut Achatz (Kommentare: 0) , Foto: ©Vista Photo - stock.adobe.com
Vielleicht klingt es pathetisch, den russisch-amerikanischen Literaten Vladimir Nabokov zu zitieren – zu zitieren mit seinem Satz, „dass unser Leben nur ein kurzer Lichtspalt zwischen zwei Ewigkeiten des Dunkels ist.“ Wir sollten uns stets dessen bewusst sein und sorgsam mit diesem Lichtspalt umgehen.
Time is money – wirklich?
Er ist nicht der Einzige, der über die Zeit nachgedacht hat. Schon anderen vor ihm war bewusst, welch kostbares Gut die Zeit ist. Der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca schrieb uns ins Stammbuch, dass „es nicht wenig Zeit ist, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“
Mit „nutzen“ hat er dabei sicher nicht dasselbe gemeint, wie Amerikas Gründervater Benjamin Franklin, der den Satz prägte „Time is money“. Vermutlich geht sogar auf ihn und sein „puritanisches Credo der unbedingten Strebsamkeit“ das moderne Leistungsprinzip zurück, schreibt Ulrich Renz in seinem Buch „Die Tyrannei der Arbeit“. Ja, er geht noch weiter und meint, dass selbst „noch heute, 250 Jahre nach ihrer Niederschrift, Franklins Worte im kollektiven Unbewusstsein unserer Kultur nachhallen wie ein Fluch – bedenke, dass die Zeit Geld ist …“
Diktat der Effizienz
Schon erstaunlich, dass hinter so einem kurzen Wort so viele Gedanken stecken können. Einer, der diesen Wandel unseres Zeit- und Leistungsverständnisses wohl am intensivsten hinterfragte, ist Lothar Seiwert, der „führende Zeitexperte“, wie „Capital“ schreibt. Der Coach und Bären-Fan Seiwert hat schon in den 80er-Jahren angefangen, Zeitmanagement zu predigen. Er half anfangs seinen „Schülern“, effizienter mit ihrer Zeit umzugehen, um mehr in derselben Frist zu schaffen. Da war die Rede von:
- Arbeitsblöcke bilden
- Gezielt abschirmen
- Zeitlimits setzen
- Prioritäten festlegen
- Sich aufs Wesentliche konzentrieren
- Delegieren
- Termine mit sich selbst ausmachen
- Nichts auf die lange Bank schieben
- Gezielt Leistungshochs nutzen
Daran ist nichts falsch. Wenn du deine Arbeit organisierst, gewinnst du Freiraum. Kontraproduktiv ist nur, wenn du diesen Freiraum nutzt, um dir noch mehr aufzuhalsen.
Zeitmanagement ist Lebensführung
Seiwerts „Follower“, wie das heute so schön heißt, haben seine Lehre verinnerlicht – mit dem Effekt, dass sie erfolgreicher im Job waren, ihr Privatleben professionalisierten, und trotzdem „völlig erschöpft“ sind, wie er in seinem Buch „Mehr Zeit fürs Glück“ resümiert. „Je perfekter wir uns tunen, desto unerbittlicher rasen die Anforderungen uns davon“, erkannte er schließlich.
Das heißt, Zeitmanagement ist mehr – du machst dich selbst wieder zum Maßstab. „Nicht unsere Zeit müssen wir managen, sondern Verantwortung übernehmen für unsere Lebensqualität“, so der Zeitmanagement-Guru. Er nennt es „Life-Leadership“, was sich treffend mit Lebensführung übersetzen lässt.
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Balance zwischen Muss und Muße
Aus der Zeitgewinn-Manie wird ein Aufruf zur bewussten Lebensführung. Was letztlich bedeutet, auch in stürmischen Zeiten die Balance zu finden und zu halten. Sich zu beherrschen, herunter zu kommen, sich auszutarieren und das Gleichgewicht herzustellen. Muss und Muße in Einklang zu bringen, das ist die hohe Kunst der geglückten Lebensführung. Dazu gehört nach Seiwert, dass
- du erkennst, was dich stresst.
- was dich bremst und deine Zeit raubt.
- du die vier Lebensbereiche Arbeit, Körper, Beziehungen und Sinn ausbalancierst.
- du herausfindest, was dich motiviert und dich in „Flow“ versetzt.
- du die Kraft deiner Ziele und Pläne nutzt.
- du Balance schaffst zwischen Chaos und Ordnung.
- du Zeit gewinnst für das Wesentliche.
- du die Muße wiederentdeckst.
Tempo essen Seele auf
Du kannst es ernst nehmen oder vernachlässigen. Wenn du diese Balance zwischen Muss und Muße allerdings unterschätzt oder gar ignorierst, kann es passieren, dass dich die Zeit verschlingt, dich ausbrennt und als Wrack zurücklässt. „Tempo essen Seele auf“, bringt es Seiwert auf den Punkt. Adrenalin spült durch deine Gefäße und lässt uns schneller altern. Wir vergessen, auf uns zu achten – Werte wie Cholesterin und Blutzucker fallen aus dem Normalbereich.
Der Verlust der Lebensbalance sei ein schleichender Prozess – manche wachen allerdings erst in der Intensivstation auf und sind bereit, etwas zu ändern. Niemand sollte es so weit kommen lassen.
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